Montag, 31. August 2015

Ereignisse/Gemeinsamkeiten verbinden

Die Nachrichten sind voll davon. Jeden Tag hört, liest oder sieht man wie Flüchtlingsunterkünfte in Brand gesteckt werden, wie neue Zeltplätze aufgebaut werden und es zu neuen Krawallen kommt. Inzwischen werden 800.000 Flüchtlinge bis zum Ende des Jahres hier in Deutschland erwartet. Niemand weiß wie man mit diesen Massen umgehen soll. Längst ist nicht mehr von einem Flüchtlingsstrom die Rede, sondern von einer Völkerwanderung.

Aber was geht mich das Ganze an? Warum soll ich ein Teil meiner geliebten Heimat opfern und diesen Flüchtlingen zur verfügung stellen? Warum sollen wir unsere Bedürfnisse zurückstellen? Was hab ich schon mit diesen Flüchtlingen zutun?

Die Zeiten, in denen in Deutschland Krieg, Tod und Zerstörung wüteten sind schon etwas länger her. Viele von uns haben den Krieg oder kriegsähnliche Zustände garnicht mitbekommen. So wie für mich beispielsweise. Ich kenne solche Situationen nur aus Geschichtsbüchern. Und meine Großeltern, die den zweiten Weltkrieg miterlebten, haben nie darüber gesprochen. Ich gehöre also zu denjenigen, die sich den Krieg und damit verbundenen Ängste, Sorgen und Leiden garnicht vorstellen kann.
Ob nun aber ein Besuch in einem Kriegsgebiet daran etwas ändern würde, kann ich mir nur schwer vorstellen. Ich werde nämlich nur ein Tourist sein. Ich werde nach ein oder zwei Wochen einfach sagen können: "Und jetzt geht es ab nach Hause." Ich werde mir also nie Gedanken darüber machen müssen, ob meine Eltern oder meine Geschwister noch leben. Ich werde mir nie die Frage stellen müssen, ob ich meine Wohnung am Mittag unversehrt vorfinden werde. Ich werde nie die Sorgen haben, ob ich überhaupt genug zu essen und zu trinken für die kommenden Tage haben werde. Ich werde also nie nachvollziehen können, wie sich ein Flüchtling fühlt. Jemand, der alles verloren hat und nun ein neues Leben in einem neuen Land beginnen möchte. Denn seines wird vom Krieg und Terror regiert. Ein Land, in dem es nicht mehr lebenswert ist.

Vor ein paar Wochen habe ich mir durch Zufall eine Doku auf YouTube angeschaut. Thema dieser Dokumentation ist der Krieg zwischen Ägypten und Israel im Juni 1967. Zu dieser Zeit ankerten 14 Schiffe aus unterschiedlichen Nationen im Bittersee. Sie waren dort gefangen. Eine Weiterfahrt durch den Suezkanal war nicht möglich.
Am 5. Juni 1967 brach ein 6-Tage-Krieg aus. Und die 14 Schiffe waren zwischen den Fronten gefangen. Sie waren wie ein paar Schaulustige, die das Kriegstreiben bewunderten. Teilweise fingen sie sogar an zu jubeln, wenn irgendwo auf dem Land wieder ein Gefecht zugange war. Nach einiger Zeit haben sich die unterschiedlichen Besatzungen sogar auf ihren Schiffen getroffen. Es war wie eine eigene kleine Nation, in der jeder willkommen war. egal welche Nationalität man nun hatte. Das Schicksal wollte es so, dass diese Menschen auf dem Bittersee gefangen waren und sie versuchten das Beste daraus zu machen. Der Krieg, der um sie herum passierte, war für die Schiffsbesatzungen nur ein Schauspiel. Jedenfalls bis zu dem Augenblick, an dem die ersten Leichen im Bittersee trieben und von den Matrosen geborgen wurden. Denn plötzlich wurde allen klar, in welcher Situation sie sich befanden.
Um sie herum herrschte Krieg und Zerstörung. Zwei Nationen kämpften gegeneinander. Tausende von Menschen ließen ihr Leben auf dem Schlachtfeld. Und auf dem Bittersee? Hier war es egal welche Nationalität man hatte. Im Gegenteil. Hier feierten sogar Menschen miteinander, die eigentlich feindlich gesinnt waren. Aber dieses Feind war erloschen, da diese Meinung nur auf irgendwelche Propagandareden beruhten.
"Simba, alles was du siehst lebt in einem empfindlichen Gleichgewicht zusammen. Als König musst du ein Gespühr dafür haben und alle Geschöpfe respektieren. Von der winzigen Ameise bis hin zur graziösen Antilope."
- Mufasa aus "Der König der Löwen" 

Das Ereignis bzw. die Gemeinsamkeit auf dem Bittersee gefangen zu sein, verband diese Männer. Anfangs waren bestimmt noch ein paar Berührungsängste, aber man konnte dem anderen eben nicht so leicht aus dem Weg gehen. Zudem schienen die Besatzungen auch Interesse daran zu haben den Nachbarn auf dem anderen Schiff kennen zu lernen. Sie alle steckten in der gleichen Situation und haben versucht das Beste daraus zu machen.

Aber es muss nicht immer nur Krieg und Zerstörung sein, die Menschen verbindet. Demnächst findet wieder das Festival "Burning Man" in Nevada statt. Es dauert insgesamt acht Tage und Endet traditionell am ersten Montag im September. Einerseits ist das Festival eine große Kunstausstellung, andererseits aber auch ein Ort intensiver Selbstdarstellung und natürlich eine große Party.
Auch hier ist es, wie bei so vielen Festivals, egal wo du herkommst oder wer du bist, die Hauptsache ist doch, dass man zusammen Spass hat. Es gibt da etwas, da ähneln sich unsere Interessen, da sind wir gleich. Da gibt es etwas, darüber können wir reden. Und je mehr Zeit wir miteinander verbringen, je mehr wir miteinander reden, je mehr wir uns kennenlernen, desto besser lernen wir uns auch kennen. Wir können viel leichter einschätzen, was den anderen bewegt. Wir wissen, wo seine Stärken und Schwächen liegen. Irgendwann sehen wir nämlich nicht mehr den Syrer, den Araber, den Moslem, den Franzosen, den Italiener, den Deutschen usw. usw. Sondern wir sehen einen Bekannten, oder sogar einen Freund in unserem Gegenüber. Wir sehen einen Menschen, den ich kennenlernen durfte. Wir sehen jemanden, der das kostbarste mit uns Teilte, dass er/sie hat. Jemanden, der uns ein Teil seiner Zeit und seiner Aufmerksamkeit schenkte.
Anstatt einfach Menschen nach ihrem Äußeren oder nach ihrer Herkunft zu verurteilen sollten wir vielleicht erst überlegen, was diese Menschen schon alles erleben mussten. Wir sollten viel mehr Respekt vor der Biografie der Anderen haben. Wir sollten auf solche Menschen zugehen, anstatt sie auszuschließen. Wir können nämlich nur von der Erfahrung der anderen profitieren.

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