Dienstag, 25. November 2014

Zwischen Shopping-Queen und Wirklichkeit

Homosexuelle Männer stehen vor allem auf Themen wie Mode, Lifestyle und Gesundheit. Sie sollen sogar teurer und exzessiver konsumieren. Doch stimmt das tatsächlich? Kann man das Bild des konsumsüchtigen Schwulen einfach so in die Realität übertragen?
Einige Schwule können mit den klassischen “schwule Marken” nicht viel anfangen. Für diese Kunden zählen andere Markeneigenschaften, die man vielleicht nicht unbedingt erwartet hätte. Eine Chance für Unternehmen, die ihre klassischen Käuferschichten nicht unbedingt unter homosexuellen Männern vermutet haben.
Es gibt leider nur wenige Studien, die sich mit dem schwulen Konsumenten befassen und dessen Kaufgewohnheiten sowie sein soziales Umfeld beleuchten. Es gibt allerdings eine Studie aus dem Jahr 2001. Sie versucht Schwule in Typen einzuteilen und erinnert stark an die  Sinus Milieus, welche die Menschen nicht alleine nach soziodemografischen Merkmalen, sondern nach Interessen und Gewohnheiten einordnet.
Ergebnis der Studie ist, dass der schwule Konsument generell nicht in einer feste Kategorie einzuordnen ist. Nach der Studie lassen sich schwule Konsumenten in fünf unterschiedliche Kategorien einordnen. Damals haben 822 schwule Männer im Alter von 16 bis 49 Jahren an der Studie teilgenommen und wurden zu ihrem Kaufverhalten befragt.
hedonistisch und trendorientiert (20 Prozent der Umfrageteilnehmer):
Wie der Name vermuten lässt, ist dieser Konsumtyp eher spaßorientiert und trendbewusst. Demnach interessiert es sich stets für die neuste Mode und kauft streng nach Marke ein. Marken wie Abercrombie & Fitch oder Apple werden diesen Typen mehrheitlich ansprechen. Dabei gibt er überdurchschnittlich viel Geld für Lifestyle und Mode aus. Trotz seines höheren Haushaltseinkommens achtet dieser Konsumententyp durchaus auch auf den Preis. Typ 1 achtet darüber hinaus sehr auf sein äußeres Erscheinungsbild, ist tendenziell eher Single extrovertiert, kommunikativ wie auch internetaffin. Die klassische Facebook oder Gayromeo-Zielgruppe. Diesen Typ könnte man als das klassische Klischee beschreiben, das viele von Schwulen im Kopf haben, bzw. auch aus Marketingperspektive man als “Early-Adopter”.

suchend und convenience-orientiert (15 Prozent):


Fast-food. Der convenience-Typ ist bequem und zurückhaltend, wobei man ihn nicht als unkommunikativ beschrieben kann.


Typ 2 ist eher jung (wobei nicht genau beschrieben wird was unter jung zu verstehen ist), interessiert sich aber wenig für Mode und Marken. Außerdem hat er ein eher gering ausgeprägtes Gesundheits- und Körperbewusstsein. Auch die eigenen vier Wände pflegt er nicht übermäßig. Er verfügt über ein geringeres Haushaltseinkommen und bevorzugt daher eher günstige Pflegeprodukte wie auch

markenbewusst und karriereorientiert (21 Prozent):

Das Markenbewusstsein dieses Typus ähnelt sehr stark dem hedonistisch und trendorientiertem Typus,. Allerdings ist dieser Typ nicht ganz so offen neuen Trends gegenüber eingestellt. Werte wie Stil oder Eleganz sind für diesen Typen wichtiger als die aktuellsten Trends. Er verfügt über ein sehr hohes Einkommen und konsumiert viel. Auch für diesen Typ haben Körperpflege und Gesundheit einen hohen Stellenwert. Der Beruf und die Karriere sind diesem Typen wichtiger als sein Privatleben.

konventionell und häuslich (21 Prozent):

Dieser Typus ist in den Augen der Gesellschaft eher untypisch, denn für Mode hat er kaum etwas übrig. Er besitzt eine sehr schwaches Marken- und Trendbewusstsein und legt kaum Wert auf sein Aussehen. Sein Haushaltseinkommen ist vergleichsweise gering. Dementsprechend gibt er relativ wenig für Konsum aus. Er verhält sich eher zurückhaltend, ist weniger kommunikativ als die anderen Typen und hat kein ausgeprägtes Interesse am Internet.

preisbewusst und intellektuell (23 Prozent):
Auch dieser Typ hat keine ausgeprägte Mode- oder Markenaffinität. Sein Kaufverhalten ist eher spontan. Günstige Preise sind ihm besonders wichtig, daher sind seine Konsumausgaben, trotz des durchschnittlichen Einkommens eher gering. Im Vergleich zu allen anderen Typen ist eher ein leidenschaftlicher Gastgeber und verreist überdurchschnittlich oft. Er verfügt über eine mittlere bis hohe formale Bildung und lebt häufig in einer Partnerschaft. Auch der Anteil an Selbständigen ist bei diesem Typen vergleichsweise hoch.


Die Grenzen zwischen den einzelnen Typen ist natürlich fließend, dennoch lassen sich daraus einige interessante Erkenntnisse ableiten. Zum einen unterscheiden sich Schwule in ihrem Freizeit- und Konsumverhalten untereinander deutlich, weswegen man nicht von dem schwulen Konsumenten sprechen kann. Generell haben Schwule durchschnittlich eine höhere Formalbildung, eine höheres Haushaltseinkommen wie auch ein stärkeres Mode- und Gesundheitsbewusstsein als heterosexuelle Konsumenten. Dennoch sind Schwule nicht klar auf bestimmte Produkte einzuordnen. Die Typologie zeigt anschaulich, dass die einzelnen Typen maximal ein Fünftel der schwulen Käuferschicht ausmachen. Das Bild des extrovertierten, trendbewussten Schwulen, der im Monat viel Geld für Lifestyle und Mode ausgibt trifft gerade mal auf 20 Prozent der Befragten zu. Dieser Typus ist im Vergleich zu allen anderen Typen in der Öffentlichkeit besonders sichtbar.
Dennoch sollten auch andere Marken, aus dem Gartenbau z.B. die Schwule Community nicht aus den Augen verlieren, da 21 Prozent der Befragten dem konventionellen und häuslichen Typ zuzuordnen sind. Eine positive Positionierung in diesem Bereich, kann Unternehmen neue, solvente Käuferschichten gewinne.
Insgesamt ist der schwule Käufer noch nicht wirklich gut erforscht. Neuere Untersuchungen könnten diese Typologie kritisch durchleuchten und gegebenenfalls anpassen. Erfolgreiche Kommunikation baut nämlich auf einer gründlichen Forschung auf.

Donnerstag, 20. November 2014

Das Coming Out

Was ist das eigentlich? Was ist so schwer daran? Wieso ist ein Coming Out so wichtig? Warum leugnen wir lange Zeit unsere Homosexualität?
Das Coming-out erfolgt in der Regel in zwei Schritten. Zu erst kommt das sogenannte innere Coming Out und dann der Schritt an die Öffentlichkeit, dem äußeren Coming Out.
Das innere Outing beschreibt die Phase der Selbstfindung. In dieser Zeit setzt sich jeder intensiv mit seiner Identität auseinander, lehnt sie zunächst ab und verzweifelt an sich bis man das eigene Ich endlich akzeptiert. Ich selbst habe für diesen Schritt sehr lange gebraucht! Ich wollte so sein wie alle anderen auch. Ich hatte Angst davor diskriminiert zu werden und ein Außenseiter zu sein. Daher hat es bei mir auch besonders lange gedauert, bis ich zu meiner Identität stehen konnte. Aktuelle Studien haben ergeben, dass das Selbstmordrisiko bei homosexuellen Jugendlichen vier bis sieben mal höher ist als bei heterosexuellen gleicher Altersstufe.
Nach dem inneren Outing folgt das, was die Gesellschaft allgemein unter dem Coming Out versteht. Das öffentliche Bekenntnis zur Homosexualität. Dieser Schritt ist nochmals schwierig. Im Vergleich zum inneren Coming Out ist die Akzeptanz des eigenen Ichs um ein vielfaches schwieriger als an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch wenn die Schwierigkeiten eines Outings davon abhängen, in welchem Umfeld man lebt.
In einem liberal geprägtem Umfeld fällt es natürlich deutlich leichter sich zu guten als in einem konservativen Umfeld. Letztlich kommt es aber nicht darauf an, wer alles von eurer Homosexualität weiß. Egal ob ihr es im Job unter Verschluss haltet, es einigen Freunden verheimlicht oder vor den Eltern versteckt, die Akzeptanz von euch selbst ist das wichtigste bei eurem Outing.

Wer sich heutzutage outet hat es definitiv leichter als noch vor 30 Jahren. Dennoch ist “Schwule Sau” das häufigste Schimpfwort auf deutschen Schulhöfen und nicht nur dort müssen Homosexuelle Diskriminierung fürchten. Mittlerweile ist „Schwul“ zum Synonym für “scheiße” geworden. Wie häufig homosexuelle Beschimpfungen stattfinden, zeigt sich auch im Internet. Diese Internet-Initiative zählt die Häufigkeit aller schwulenfeindlichen Beschimpfungen, die über Twitter geteilt werden. Sekündlich tauchen neue Tweets mit homophobem Inhalt auf. Es ist also auf keinen Fall selbstverständlich zu seiner Sexualität zu stehen. Dieser Schritt erfordert Mut und eine große Portion Selbstvertrauen.

Dieser Artikel ist nur sehr kurz gehalten und behandelt das Thema auch nur sehr oberflächlich. Dennoch wird er vielleicht dem ein oder anderen unter euch helfen. Jeder hat das Recht seine Persönlichkeit frei auszuleben, egal ob schwul, lesbisch, bi oder hetero. Vielleicht verstehen manche jetzt auch, warum wir so einen großen Wind um dieses Coming Out machen. Warum wir irgendwann voller Stolz an die Öffentlichkeit gehen und es verkünden.

Mittwoch, 19. November 2014

Toleranz

Die ARD hat es zum Thema der Woche gemacht. Toleranz. Aber was ist das eigentlich?Wann sind wir Menschen tolerant? Wann ist es eine Scheiß-egal-Haltung? Wann sind wir intolerant?

Bevor die Themenwoche überhaupt angefangen hatte, haben sich schon einige über die Herangehensweise der ARD an das Thema Toleranz, beschwert. Die Plakate, welche eigens für die Themenwoche angefertigt wurden seien nicht zeitgemäß. Die ARD würde selber nicht tolerant sein. Es brach ein wahrer Shitstorm über die ARD herein.
Nun läuft die Themenwoche schon einige Tage. Ich selbst habe mir den ein oder anderen Beitrag angesehen. Manchmal war ich geschockt über die Meinungen anderer. Manchmal aber auch ganz froh, wie tolerant doch manche Menschen tatsächlich sind.

Unter dem Begriff Toleranz scheint jeder etwas anderes zu verstehen. In den einzelnen Beiträgen der ARD kam bisher immer die Frage auf "Was ist eigentlich Toleranz?"

Nach Wikipedia wird Toleranz wie folgt erklärt:
Toleranz oder auch Duldsamkeit ist allgemein gesagt das Gelten- oder Gewährenlassen fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten. In der Umgangssprache wird es aber häufig auch in Verbindung mit der Anerkennung einer Gleichberechtigung gebracht.

Ein toleranter Mensch duldet also die Ansichten, Sitten und Gebräuche anderer Völker und Kulturen. Er akzeptiert, dass es auch Menschen gibt, die ein anderes Weltbild vertreten.
Die Fragen die ich mir dabei stelle sind: "Wo beginnt Toleranz und wo endet sie?" sowie "Nehmen wir manchmal nicht auch eine Scheiß-egal-Haltung ein?"

Jeder Mensch, jedes Dorf, jede Stadt, jede Region, jedes Land hat eine Geschichte. Eine Geschichte die von Generation zu Generation weitergetragen wird. Über manche Ereignisse spricht man gern und viel. Andere verschweigt man lieber und behält sie für sich. Jede Geschichte hat nunmal eine gute und eine schlechte Seite. Dennoch müssen sie alle erzählt und weitergegeben werden.
Was nützt mir die Erkenntnis ganzer Generationen, wenn sie nicht an mich weiter gegeben wird? Wie soll ich mir eine eigene Meinung bilden können, wenn mir Informationen vorenthalten werden? Wie soll ich einem Menschen, einer Gruppe, einem Volk gegenübertreten, wenn ich kaum etwas zu deren Kultur und Sitte weiß?
Eine Möglichkeit wäre mit diesen Leuten nicht in Kontakt zu treten. "Solange ich meine Ruhe habe und mein Leben so weiter leben kann wie bisher, ist alles in Ordnung", so scheint die Devise. Ich nehme also die berühmte Scheiß-egal-Haltung ein. Mir ist nur wichtig, dass ich so weiter leben kann wie bisher. Wie sich diese Menschen dabei fühlen interessiert mich nicht.

Ist das der richtige Weg? Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Kultur, ihrer Religion auszugrenzen? Zu sagen: "Du kannst hier wohnen, aber lass mich bitte mein Leben so leben wie ich will." Ist das Toleranz?
Wie viel weiß ich über die Gruppe, über dieses Volk, über die Religion, dass ich mir ein Urteil erlauben darf?
Dem ein oder anderen werden bestimmt Dinge einfallen. "Man kennt das doch aus den Nachrichten", "Man hört da doch immer wieder von", "Der Bruder einer Bekannten meines Schwagers väterlicherseits hat ... als Nachbarn, da herrscht immer Streit". Solche Sätze wird jeder kennen. Aber wie gut kennt mein Gegenüber denn nun tatsächlich diese Menschen? Gut? Sehr gut? Oder vielleicht doch eher gar nicht?
Wir stützen unsere eigene Meinung also auf die anderer. Irgendwo auf der Welt gibt es eine Person die Streit mit ihrem Nachbar hat und dieser auch noch zufällig genau dieser Gruppe angehört. Allein an dieser Tatsache machen wir fest, dass alle diese Menschen so sein müssen. Wir denken gar nicht erst daran, dass es vielleicht anders sein könnte. Wir tuen hunderten, tausenden, vielleicht sogar Millionen von Menschen unrecht, weil wir uns nicht genug informieren. Wir stützen unsere Meinung eher auf ein Klischee, als das wir uns informieren würden. Wir grenzen ganze Gruppen und Völker aus der Gesellschaft aus, weil wir angst vor dem unbekannten haben.

Ist das Toleranz?
Wohl eher nicht. Man sollte seine eigene Meinung nie auf die anderer stützen. Ebenso sollte man  das Klischee-Denken immer hinterfragen. Natürlich müssen die Klischees irgendwo herkommen, aber ob das tatsächlich die breite Masse betrifft ist immer fraglich.
Tolerant zu sein bedeutet eben nicht Menschen in Schubladen zu stecken, sondern jeden einzelnen als Individuum zu sehen. So fällt es leichter auf einen Menschen zu zugehen und mehr über seine Kultur, Religion oder Herkunft zu erfahren. Vielleicht lernt man so auch mal die Kehrseite der Medaille kennen.

Dienstag, 11. November 2014

ARD Themenwoche (Toleranz)



Am kommenden Samstag startet die ARD ihre Themenwoche über Toleranz. Diese beginnt am 15.11.2014 und endet am 21.11.2014. Natürlich wurde das ganze auch entsprechend beworben.




Oben seht ihr die Plakate, die extra für diese Themenwoche konzipiert wurden. Zugegeben sie sind sehr provokant. Aufgrund dieser Plakate hat sich auch ein Shitstorm im Internet zugetragen. Viele sind empört über die Denkweise, die hinter der Themenwoche zu stecken scheint: "Wie viel Toleranz will die Mehrheit der Gesellschaft Minderheiten gewähren".
Die Themenwoche genau auf diese Aussage zu kürzen ist falsch. Am Samstag wird es ein Talk mit Matthias Matussek geben. Das Thema lautet “Was müssen wir uns gefallen lassen – was nicht? Der Tanz um die Toleranz”. Matussek gehört nun nicht zu denjenigen, welche homo-freundlich sind. Er ist vor einiger Zeit mit provozierenden homophoben Äußerungen aufgefallen. Dadurch werden Schwule und Lesben zu Menschen zweiter Klasse gemacht. Ebenso gehen Rechtspopulisten/radikale vor, wenn sie über Ausländer sprechen. Solch ein Gedankengut wird zurecht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht gezeigt. Wieso werden dann Homophobe Äußerungen zugelassen?

Ein Fehler ist es auf jeden Fall die gesamte Themenwoche der ARD auf diese Talkshow zu verkürzen. Aber auch die Werbeplakate sehe ich als wenig kritisch an. Klar sind sie provokant formuliert, dagegen kann man nichts sagen. Sie alle werfen die Fragen auf, die in der Gesellschaft immer noch diskutiert werden. Die Plakate sollen daher wohl eher zum nachdenken anregen. Zudem lassen sie keine Rückschlüsse auf die Meinung der ARD zu diesem Thema zu.

Es ist wohl am Besten, wenn man die Themenwoche erst einmal abwartet. Letztlich werden genau die richtigen Fragen gestellt. Die Werbung hat jetzt schon ganze Arbeit geleistet. Die Menschen reden über das Thema Toleranz und machen sich ihre Gedanken dazu. Ich werde diese Themenwoche jedenfalls gespannt verfolgen.

Wie sieht es mit euch aus? Was haltet ihr von den Plakaten? Wie Tolerant seid ihr eigentlich?
Schreibt es mir in die Kommentare. Bin schon gespannt auf eure Meinungen.

Freitag, 7. November 2014

Was brauchen Kinder wirklich?

In der letzten Stern-Ausgabe (Nr. 45, erschienen am 30.10.2014) lautete das Titelthema „Lieb & teuer – was Kinder heute kosten – und was sie wirklich brauchen“. Ich hatte in der vergangenen Woche leider etwas Stress und habe den Artikel erst sehr spät lesen können. Er hat mich zum nachdenken angeregt, weshalb ich mich auch entschied selber etwas zu verfassen.

Ich selbst habe leider keine Kinder die ich befragen könnte. Ich kann mich aber noch gut an meine eigene Kindheit erinnern, so alt bin ich schließlich noch nicht. Ich selber gehöre zu denjenigen, welche eine frühkindliche Erziehung genossen haben. Ich hatte Klavier- und Klarinettenunterricht, jeweils ca. 6-7 Jahre und Schlagzeugunterricht nochmals etwa 3 Jahre lang. Ich ging auf eine Privatschule und wurde auch sonst immer an verschiedenen Kursen angemeldet zu denen ich eigentlich keine Lust hatte. Jonglieren, Diabolo spielen, Judo, Ergotherapie. Alles Kurse die ich für eine Zeit besucht habe, obwohl ich sie nicht machen wollte. Wenn ich einen Kurs mal länger nicht besucht habe, wurde ich bestraft. Die Bestrafung war meist Instrumente üben oder Zimmer putzen, da ich auch diese Sachen nicht immer gerne tat.

War nun diese Erziehung hilfreich? Würde ich meine Kinder genau so fördern?
Jein. Wenn ich heute auf meine Erziehung zurückblicke kann ich froh sein, dass meine Eltern so viel Geld für mich ausgegeben haben. Sie wollten immer nur das Beste für mich, aber erst heute erkenne auch ich, wie sehr ich immer gefördert wurde. Erst wenn man die verschiedenen Kindheiten der Freunde und Bekannten kennt, sich  einmal hinsetzt und sie vergleicht, erst dann fallen einem die Unterschiede auf. Bis zu diesem Zeitpunkt nimmt man alles als selbstverständlich hin, aber dies ist nicht der Fall. Allein schon die Tatsache eine besondere Schulausbildung oder einer außerschulischen Aktivität nachzugehen ist schon etwas Besonderes. Genau wie die eigenen Kinder. Es sind die Menschen, welche wir immer lieben werden. Es ist uns egal wie sie aussehen oder welche Charakterzüge sich entwickeln. Auch in der Pubertät, wo man sich vielleicht tagelang nur streitet und man sich nicht versöhnt. Unsere Kinder sind und werden immer ein Teil von uns sein und sollten immer besonders behandelt werden.

Aber was ist eine besondere Behandlung? In wie weit sollte man ein Kind fördern? Wann ist es vielleicht sogar zu viel?
Früher war es etwas Besonderes schon vor der Schulzeit bis hundert zählen zu können oder gar das Alphabet aufsagen zu können. Wenn man heute manchen Eltern zuhört was ihre Kinder alles können, fragt man sich manchmal, ob sie überhaupt noch eine schulische Ausbildung brauchen. Zweisprachig aufwachsen gehört da bei manchen schon zur Grundausbildung. Ebenso die musikalische Ausbildung. Heutzutage zählt nur noch die Leistung die ein Kind erbringt und nicht mehr der Mensch dahinter. Kinder sind zum Statussymbol geworden. Je mehr diese können, desto angesehener ist auch die Familie. Ob nun die Kinder darunter leiden ist zweitranging. Je mehr, desto besser, so lautet die Devise. Und unsere Kinder? Die müssen darunter leiden.

Wir leben in einer Gesellschafft, wo man sich nicht um die Bedürfnisse seiner Mitmenschen kümmert sondern nur noch die Leistung des einzelnen an sich zählt. Viele Menschen gehen daran kaputt. Ihre Denkweise ist so eingefahren, dass sie sich selbst nur noch nach ihrer Leistung beurteilen und mit anderen vergleichen. Der Kontakt zu anderen Menschen bricht nach und nach ab, weil für sie die Arbeit oberste Priorität hat. Die Angst zu versagen steigt ins Unermessliche. Das Selbstwertgefühl sinkt. Die Folge: eine soziale Phobie, die manchmal zu Depressionen oder sogar bis hin zum Suizid führt.

Wollen wir das? Wollen wir, dass unsere Kinder eines Tages aufstehen und Angst haben mit anderen Menschen in Kontakt zu treten?
Ich jedenfalls nicht. Ich brauche keine Kinder, die fünf Sprachen fließend beherrschen oder Beethovens Nr. 5. auswendig spielen können. Ich möchte, dass meine Kinder fröhlich durch die Welt gehen können. Die einem Hobby nachgehen, weil es ihnen spaß bereitet und nicht weil sie es müssen. In ihrer Selbstfindungsphase sollen sie den Freiraum bekommen, den sie brauchen. Dies ist nämlich die wichtigste Phase im ganzen Leben. Egal was meinen Kindern auch auf dem Herzen liegt und sie bedrückt, sie werden bei mir immer auf ein offenes Ohr stoßen. Egal welches Problem sie auch haben werden, gemeinsam werden wir eine Lösung erarbeiten und werden diesen Weg gemeinsam beschreiten. Meine Kinder werden bei mir immer willkommen sein, egal was zwischen uns vorgefallen sein mag. Sie sollen mir alles anvertrauen können und wissen, dass ich es zum Best gehüteten Geheimnis der Menschheit machen werde. Sie sollen sich bei mir einfach geborgen fühlen und immer wieder gerne nach Hause kommen.

Was brauchen Kinder wirklich?

Wir leben in einer Welt, wo der Mensch nur nach seiner Leistung beurteilt wird. Leider ist dass auch innerhalb der Familie so. In immer mehr Familien gehen beide Elternteile arbeiten, um mehr Geld zur Verfügung zu haben. Nur so kann man den Kindern ihre Freizeitaktivitäten finanzieren. Das Familienleben bleibt dabei meist auf der Strecke. Ein Kind braucht nicht mehrere Instrumente spielen zu können. Es muss auch nicht wer weiß wie viele Sprachen fließend sprechen können. Ein Kind braucht Freizeit. Es braucht eine Zeit, die es frei zur Verfügung hat. In dieser Zeit trifft es sich mit seinen Freunden, liest ein spannendes Buch, hört Musik oder ist in den diversen sozialen Netzwerken unterwegs. Es braucht einfach einen Rückzugsort, wo es nicht nach seiner Leistung beurteilt wird, sondern so respektiert und akzeptiert wird, wie es ist. Welcher Ort würde sich dafür schon besser eigenen, als die eigene Familie?

Dienstag, 4. November 2014

Sterbehilfe ja oder nein?

Eine Frage die nach dem aktuellen Fall in den USA wieder auflodert. Wann ist es Mord? Wann ist es Hilfe? Jeder ist anderer Meinung. In fünf US-Bundesstaaten ist die aktive Sterbehilfe bisher erlaubt. Einer dieser Staaten ist Oregon, wo die Familie Maynard wohnt.


Die Sterbehilfe-Organisation „Compassion & Choices“ bestätigte den Tod der 29-Jährigen. Sie habe wie geplant am Samstag tödliche Medikamente eingenommen und starb friedlich in ihrem Schlafzimmer in den Armen ihrer Liebsten. 

Am Samstag hat sich die 29-Jährige Brittany Maynard wie angekündigt das Leben genommen. Die junge Frau litt an einem aggressiven Gehirntumor. Die behandelten Ärzte gaben ihr im April diesen Jahres noch genau sechs Monate zu Leben. Nach dieser Diagnose zog die Amerikanerin mit ihrer Familie nach Oregon. In diesem US-Bundesstaat ist es erlaubt Sterbehilfe zu leisten. Die letzten Wochen und Monate verfasste Maynard mehrere Video-Botschaften in denen sie sich für die aktive Sterbehilfe einsetzte. Diese bewegenden Videos wurden millionenfach im Internet angeklickt.

Bis zuletzt war jedoch unklar, ob sich die Amerikanerin tatsächlich das Leben nehmen wolle. Am Donnerstag veröffentlichte sie noch ein Video und verkündete wie viel Freude sie noch am Leben empfinde. Gleichzeitig bereite ihr die Krankheit aber auch große Schmerzen und schränke sie immer mehr ein.

„Lebt wohl, alle meine lieben Freunde und Familie, die ich liebe. Heute ist der Tag, den ich ausgewählt habe, um in Würde zu sterben - angesichts meiner schrecklichen Krankheit, diesem furchtbaren Gehirntumor, der so viel von mir genommen hat ... mir aber noch mehr nehmen würde. Die Welt ist ein wunderschöner Ort, das Reisen war mir der beste Lehrer, meine engen Freunde und meine Familie haben mir alles gegeben. Selbst jetzt, während ich dies schreibe, habe ich einen Kreis von Unterstützern an meinem Bett. Lebe wohl, Welt. Verbreitet positive Energie. Tut Gutes.“ So lautete ihre letzte Botschaft über Facebook. Danach ist sie seelenruhig in den Armen ihres Mannes eingeschlafen. 

„Eines Tages wird das Leben vor deinen Augen aufblitzen, sorge dafür, dass es sehenswert ist“, lautet die Überschrift des auf ihrer Website veröffentlichten Nachrufs. Maynard habe sich entschieden, angesichts einer schrecklichen, schmerzhaften und unheilbaren Krankheit eine gut durchdachte Entscheidung zu treffen und mit Würde zu sterben, heißt es darin.

Sterbehilfe ja oder nein? Wie weit dürfen Mediziner gehen?

Auch ich habe mir des Öfteren Gedanken über dieses Thema gemacht. In meinem Bekanntenkreis gab es zwei Menschen, die an Krebs gestorben sind. Beide habe ich immer als Lebensbejahende Personen wahrgenommen. Bei beiden hatte man bis kurz vor dem Tod nie den Eindruck gehabt, dass sie unter ihrer unheilbaren Krankheit leiden würden.

Eine dieser Personen hat jeden Tag gekämpft und gekämpft und so schließlich ganze fünf Monate länger gelebt, als es die Ärzte vorhergesagt haben. Eine Zeit voller Höhen und Tiefen. Gerade in den letzten Wochen ging es nur noch darum, dass sie nicht erstickt sondern an Multiorganversagen sterbe. Als ich sie etwa eine Woche vor ihrem Tod sah, habe ich sie kaum wiedererkannt. Im ersten Moment dachte ich sie sollte doch besser wieder nach Hause oder ins Krankenhaus fahren und nicht diese gesellige Runde stören. Doch dann merkte ich, dass es die Patentante meiner Schwester war. Wie ich später erfahren habe, hat sie sich aus dem Krankenhaus entlassen, nur um bei der Konfirmation ihres Patenkindes dabei zu sein. 

Sterbehilfe ja oder nein? Ich bin mir selber nicht ganz im Klaren darüber. Auf der einen Seite weiß ich, wie sehr die betroffenen Personen unter ihrer Krankheit leiden. An manchen Tagen wünscht man sich die aktive Sterbehilfe, weil man den geliebten Menschen nicht mehr leiden sehen kann. Auf der anderen Seite möchte man aber auch nicht diesen Menschen verlieren. Einen Menschen der immer für einen da war, sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten. Ich könnte wahrscheinlich selbst nicht damit leben, wenn ich über Leben und Tod eines Menschen entschieden hätte. Die Vorwürfe eventuell einen Fehler gemacht zu haben. Einem Menschen vielleicht ein paar Tage seines kostbaren Lebens genommen zu haben. Für mich eine grauenvolle Vorstellung. Ist das Mord? Ist das Suizid? Beihilfe zum Suizid? Kann oder sollte man dafür bestraft werden?

Auch unter Medizinern ist die aktive Sterbehilfe höchst umstritten. Sie haben einen Eid geleistet jedem Menschen zu helfen. Egal welchen gesellschaftlichen Stand er hat und egal wie schlecht es um ihn steht. Nach diesem Eid sind die Mediziner verpflichtet die Patienten am Leben zu erhalten. Eine aktive Sterbehilfe wiederspricht demnach dem Beruf des Mediziners, auch wenn die Krankheit als unheilbar gilt. 

Die aktive Sterbehilfe ist ein Thema, wo sich niemand gerne mit befasst. Das Thema steckt noch tief in den Kinderschuhen. Es gibt viel zu viele ungeklärte Fragen. Niemand weiß, wie man mit der aktiven Sterbehilfe umgehen soll. Ich persönlich kann nur hoffen, dass ich niemals über das Leben eines Menschen richten muss.


Sterbehilfe ja oder nein? Was sagt ihr dazu? Ich bin gespannt auf eure Kommentare.