Freitag, 7. November 2014

Was brauchen Kinder wirklich?

In der letzten Stern-Ausgabe (Nr. 45, erschienen am 30.10.2014) lautete das Titelthema „Lieb & teuer – was Kinder heute kosten – und was sie wirklich brauchen“. Ich hatte in der vergangenen Woche leider etwas Stress und habe den Artikel erst sehr spät lesen können. Er hat mich zum nachdenken angeregt, weshalb ich mich auch entschied selber etwas zu verfassen.

Ich selbst habe leider keine Kinder die ich befragen könnte. Ich kann mich aber noch gut an meine eigene Kindheit erinnern, so alt bin ich schließlich noch nicht. Ich selber gehöre zu denjenigen, welche eine frühkindliche Erziehung genossen haben. Ich hatte Klavier- und Klarinettenunterricht, jeweils ca. 6-7 Jahre und Schlagzeugunterricht nochmals etwa 3 Jahre lang. Ich ging auf eine Privatschule und wurde auch sonst immer an verschiedenen Kursen angemeldet zu denen ich eigentlich keine Lust hatte. Jonglieren, Diabolo spielen, Judo, Ergotherapie. Alles Kurse die ich für eine Zeit besucht habe, obwohl ich sie nicht machen wollte. Wenn ich einen Kurs mal länger nicht besucht habe, wurde ich bestraft. Die Bestrafung war meist Instrumente üben oder Zimmer putzen, da ich auch diese Sachen nicht immer gerne tat.

War nun diese Erziehung hilfreich? Würde ich meine Kinder genau so fördern?
Jein. Wenn ich heute auf meine Erziehung zurückblicke kann ich froh sein, dass meine Eltern so viel Geld für mich ausgegeben haben. Sie wollten immer nur das Beste für mich, aber erst heute erkenne auch ich, wie sehr ich immer gefördert wurde. Erst wenn man die verschiedenen Kindheiten der Freunde und Bekannten kennt, sich  einmal hinsetzt und sie vergleicht, erst dann fallen einem die Unterschiede auf. Bis zu diesem Zeitpunkt nimmt man alles als selbstverständlich hin, aber dies ist nicht der Fall. Allein schon die Tatsache eine besondere Schulausbildung oder einer außerschulischen Aktivität nachzugehen ist schon etwas Besonderes. Genau wie die eigenen Kinder. Es sind die Menschen, welche wir immer lieben werden. Es ist uns egal wie sie aussehen oder welche Charakterzüge sich entwickeln. Auch in der Pubertät, wo man sich vielleicht tagelang nur streitet und man sich nicht versöhnt. Unsere Kinder sind und werden immer ein Teil von uns sein und sollten immer besonders behandelt werden.

Aber was ist eine besondere Behandlung? In wie weit sollte man ein Kind fördern? Wann ist es vielleicht sogar zu viel?
Früher war es etwas Besonderes schon vor der Schulzeit bis hundert zählen zu können oder gar das Alphabet aufsagen zu können. Wenn man heute manchen Eltern zuhört was ihre Kinder alles können, fragt man sich manchmal, ob sie überhaupt noch eine schulische Ausbildung brauchen. Zweisprachig aufwachsen gehört da bei manchen schon zur Grundausbildung. Ebenso die musikalische Ausbildung. Heutzutage zählt nur noch die Leistung die ein Kind erbringt und nicht mehr der Mensch dahinter. Kinder sind zum Statussymbol geworden. Je mehr diese können, desto angesehener ist auch die Familie. Ob nun die Kinder darunter leiden ist zweitranging. Je mehr, desto besser, so lautet die Devise. Und unsere Kinder? Die müssen darunter leiden.

Wir leben in einer Gesellschafft, wo man sich nicht um die Bedürfnisse seiner Mitmenschen kümmert sondern nur noch die Leistung des einzelnen an sich zählt. Viele Menschen gehen daran kaputt. Ihre Denkweise ist so eingefahren, dass sie sich selbst nur noch nach ihrer Leistung beurteilen und mit anderen vergleichen. Der Kontakt zu anderen Menschen bricht nach und nach ab, weil für sie die Arbeit oberste Priorität hat. Die Angst zu versagen steigt ins Unermessliche. Das Selbstwertgefühl sinkt. Die Folge: eine soziale Phobie, die manchmal zu Depressionen oder sogar bis hin zum Suizid führt.

Wollen wir das? Wollen wir, dass unsere Kinder eines Tages aufstehen und Angst haben mit anderen Menschen in Kontakt zu treten?
Ich jedenfalls nicht. Ich brauche keine Kinder, die fünf Sprachen fließend beherrschen oder Beethovens Nr. 5. auswendig spielen können. Ich möchte, dass meine Kinder fröhlich durch die Welt gehen können. Die einem Hobby nachgehen, weil es ihnen spaß bereitet und nicht weil sie es müssen. In ihrer Selbstfindungsphase sollen sie den Freiraum bekommen, den sie brauchen. Dies ist nämlich die wichtigste Phase im ganzen Leben. Egal was meinen Kindern auch auf dem Herzen liegt und sie bedrückt, sie werden bei mir immer auf ein offenes Ohr stoßen. Egal welches Problem sie auch haben werden, gemeinsam werden wir eine Lösung erarbeiten und werden diesen Weg gemeinsam beschreiten. Meine Kinder werden bei mir immer willkommen sein, egal was zwischen uns vorgefallen sein mag. Sie sollen mir alles anvertrauen können und wissen, dass ich es zum Best gehüteten Geheimnis der Menschheit machen werde. Sie sollen sich bei mir einfach geborgen fühlen und immer wieder gerne nach Hause kommen.

Was brauchen Kinder wirklich?

Wir leben in einer Welt, wo der Mensch nur nach seiner Leistung beurteilt wird. Leider ist dass auch innerhalb der Familie so. In immer mehr Familien gehen beide Elternteile arbeiten, um mehr Geld zur Verfügung zu haben. Nur so kann man den Kindern ihre Freizeitaktivitäten finanzieren. Das Familienleben bleibt dabei meist auf der Strecke. Ein Kind braucht nicht mehrere Instrumente spielen zu können. Es muss auch nicht wer weiß wie viele Sprachen fließend sprechen können. Ein Kind braucht Freizeit. Es braucht eine Zeit, die es frei zur Verfügung hat. In dieser Zeit trifft es sich mit seinen Freunden, liest ein spannendes Buch, hört Musik oder ist in den diversen sozialen Netzwerken unterwegs. Es braucht einfach einen Rückzugsort, wo es nicht nach seiner Leistung beurteilt wird, sondern so respektiert und akzeptiert wird, wie es ist. Welcher Ort würde sich dafür schon besser eigenen, als die eigene Familie?

1 Kommentar:

  1. Meine Mutter war Selbstständig. ich war zwar den ganzen Tag um sie herum, aber Zeit verbracht haben wir nicht viel. Ich hab damals Gitarre gelernt, habe es aber selbst abgebrochen. Wie hat sich das ausgewirkt?! - Naja, ich war sehr früh schon sehr eigenständig, habe meine Probleme aber immer in mich hineingefressen.
    Ich denke das Kinder ganz klar Freizeit brauchen für Freunde und Hobbies zu pflegen oder überhaupt rauszufinden was man mag.
    Kurse sind wichtig vorallem um Disziplin zu lernen, aber man sollte nicht einfach wahrlos das Kind irgendwo anmelden sondern zusammen schauen was seinem Kind gefällt und sein Kind darin unterstützen.
    Rituale finde ich sind auch sehr wichtig, wozu Kurse ja auch in gewisser Weise zählen, da sie sich immer nach den selben Regeln wiederholen. Ein geregelter Tagesablauf ist meiner Meinung aber auch wahnsinnig wichtig. Ich hönnte hier so viel schreiben, aber ich brems mich mal, sonst explodiert meine Tastatur ^^
    Liebe Grüße
    Tama

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